Berlin – In einem detaillierten Positionspapier, das von der ver.di Bundesfachkommission Psychiatrische Einrichtungen veröffentlicht wurde, werden die Rolle, Arbeitsbedingungen und die Entlohnung von Genesungsbegleitern in der Psychiatrie umfassend diskutiert. Genesungsbegleiter, auch bekannt als Ex/In oder Peer-Begleiter, sind Menschen, die selbst psychische Erkrankungen erlebt haben und nun ihre Erfahrungen nutzen, um andere Betroffene auf ihrem Genesungsweg zu unterstützen. Das Papier hebt die Notwendigkeit klarer Standards und angemessener Rahmenbedingungen hervor, um die Integration dieser neuen Berufsgruppe in psychiatrische Einrichtungen erfolgreich zu gestalten.

Ursprung und Bedeutung der Genesungsbegleiter

Genesungsbegleiter sind Individuen, die eigene psychische Krisen durchlebt haben und spezielle Aus- und Fortbildungen absolviert haben, um andere psychisch Kranke zu unterstützen. Sie agieren aufgrund ihrer einzigartigen Erfahrungen und spezifischen Schulungen und bieten eine wertvolle Ergänzung zu bestehenden medizinischen und therapeutischen Dienstleistungen. Die Entwicklung dieser Rolle von ehrenamtlichen Tätigkeiten hin zu professionellen Positionen in Kliniken, ambulanten Einrichtungen und Beratungsstellen wird von ver.di ausdrücklich begrüßt. Diese neuen Kolleginnen und Kollegen tragen erheblich zur sozialen und patientenorientierten Psychiatrie bei.

Rahmenbedingungen und Qualitätsstandards

Der Einsatz von Genesungsbegleitern ist anspruchsvoll und erfordert sorgfältige Planung und Unterstützung. Zu den wesentlichen Anforderungen gehören

  • Konzeptionelle Einbindung: Klar definierte Rollen und Aufgaben sowie professionelle Begleitung durch Ex/In-Trainer.
  • Vorbereitung des Teams: Das aufnehmende Team muss gut vorbereitet sein, und es müssen ausreichend Ressourcen für notwendige Veränderungen bereitgestellt werden.
  • Kulturelle Anpassungen: Der Einsatz von Genesungsbegleitern kann eine Umorientierung und Haltungsänderungen im Team erfordern.

Die Fortbildung von Genesungsbegleitern sollte strenge Standards einhalten. Empfohlen wird das Curriculum des internationalen Ex/In-Projekts, das fünf Basismodule und sieben Aufbaumodule über ein Jahr umfasst. Dies entspricht mindestens 320 Stunden plus zwei Praktika. Die Teilnehmer sollten im ersten Jahr ihres praktischen Einsatzes durch Trainer begleitet werden.

Personalausstattung und Finanzierung

Ab dem 1. Januar 2020 wird die Personalausstattung in stationären Psychiatrien durch eine neue Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses geregelt. Es ist entscheidend, Genesungsbegleiter systematisch als Teil des Personals zu erfassen und in die Personalbemessung aufzunehmen. Die entstehenden Personalkosten müssen von den Krankenkassen getragen werden. Genesungsbegleiter sollten keinesfalls als Ersatz für Fachkräfte dienen und müssen entsprechend ihrer Rolle betreut und supervidiert werden. Dies gilt auch für ambulante Einrichtungen, wo der Einsatz von Genesungsbegleitern das Angebot bereichern kann.

Tarifliche Eingruppierung und Entlohnung

Derzeit sind Genesungsbegleiter in den Tarifwerken des Gesundheitswesens noch nicht berücksichtigt. ver.di setzt sich dafür ein, diese in die Tarifverhandlungen einzubringen. Bis eine spezifische tarifvertragliche Einordnung erfolgt, sollten Arbeitgeber Genesungsbegleiter nach billigem Ermessen eingruppieren. Die Empfehlungen umfassen:

  • Genesungsbegleiter ohne zertifizierte Fortbildung: Diese sollten nur helfende Tätigkeiten übernehmen und auf dem Niveau von Pflegehelfern ohne mindestens einjährige Ausbildung eingruppiert werden.
  • Genesungsbegleiter mit zertifizierter Fortbildung: Diese sollten je nach Aufgabe und Verantwortung differenziert eingruppiert werden, z.B.:
    • EG 3: Beschäftigte in der Tätigkeit von Genesungsbegleitern (kritisch betrachtet).
    • EG 4: Genesungsbegleiter mit abgeschlossener zertifizierter Fortbildung.
    • EG 5: Genesungsbegleiter der EG 4 mit mindestens 25% schwierigen Aufgaben.
    • EG 6: Genesungsbegleiter der EG 4 mit mindestens 50% schwierigen Aufgaben.

Praktische Herausforderungen und Lösungen

Einige der praktischen Herausforderungen umfassen:

  • Verlässlichkeit und Belastbarkeit: Es besteht oft Unsicherheit bezüglich der Belastbarkeit von Genesungsbegleitern. Untersuchungen zeigen jedoch, dass sie in der Regel weniger Abwesenheiten haben und Experten in Selbstfürsorge sind.
  • Verschiebung von Grenzen: Genesungsbegleiter unterstützen Patienten dabei, ihre Genesung selbst zu deuten und zu gestalten, was manchmal in Konkurrenz zu traditionellen Konzepten stehen kann. Dies sollte als Bereicherung und nicht als Problem gesehen werden.
  • Loyalität: Wenn Genesungsbegleiter die Interessen der Patienten vertreten, kann dies als illoyal gegenüber der Institution wahrgenommen werden. Es ist wichtig, diese Themen offen zu diskutieren und als Team zu besprechen, wie damit umgegangen werden soll.

Fazit

Das Positionspapier der ver.di betont die Notwendigkeit klarer Standards, angemessener Arbeitsbedingungen und fairer Entlohnung für Genesungsbegleiter. Diese neue Berufsgruppe bietet wertvolle Unterstützung für Menschen in psychischen Krisen und bereichert die psychiatrische Versorgung. Ihre erfolgreiche Integration erfordert jedoch sorgfältige Planung, Unterstützung und eine klare Definition ihrer Rolle innerhalb der Einrichtungen. Durch diese Maßnahmen kann das volle Potenzial der Genesungsbegleiter ausgeschöpft werden, um eine fortschrittliche und menschliche Psychiatrie zu fördern.

Mehr zur Ausbildung als GenesungsbegleiterIn

Quelle: ver.di-Positionspapier: Rollen klären, Stellen sichern und finanzieren, Arbeit angemessen entlohnen

EX-IN AKADEMIE