Im Klinikum Bremerhaven arbeiten sieben Psychiatrie-Erfahrene mit einer EX-IN-Ausbildung als Genesungsbegleiter fest angestellt. Sie unterstützen die psychiatrischen Pflegekräfte und begleiten und beraten Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige.
Organisationsentwicklung durch Psychiatrie-Erfahrene
Die Einbeziehung von Experten aus Erfahrung begann im Jahr 2007, als die 1976 gegründete Abteilung umfangreich neu ausgerichtet wurde. Diese umfassende Neustrukturierung zielte darauf ab, ein Recovery-orientiertes Behandlungsmodell zu integrieren, das auf den Erfahrungen und Bedürfnissen der Betroffenen basiert. Dabei sollte die persönliche Erfahrung der Genesungsbegleiter als wertvolle Ressource genutzt werden, um die therapeutischen Angebote zu ergänzen und zu bereichern.
Das klassische Behandlungsmodell, das eine klare Trennung zwischen Patient und Arzt vorsieht, wurde in Frage gestellt. Stattdessen wurde ein Ansatz gewählt, bei dem Patienten aktiv in ihren eigenen Genesungsprozess eingebunden werden. Die Hoffnung war, dass dies zu einem sinnerfüllten, selbstbestimmten Leben führen würde. Dieser Paradigmenwechsel war keine einfache Aufgabe, erforderte jedoch eine intensive Vorbereitung und Schulung sowohl der Genesungsbegleiter als auch des bestehenden Personals.
Die Integration von Betroffenen mit EX-IN-Ausbildung in die Behandlungsteams begann 2012. Ziel war es, die Perspektiven und Erfahrungen von Menschen, die selbst psychische Krisen überwunden haben, in den therapeutischen Prozess zu integrieren. Diese Genesungsbegleiter arbeiten eng mit dem Pflegepersonal zusammen und unterstützen die Patienten dabei, ihre eigene Genesung aktiv zu gestalten.
Die Anfänge
Die Einführung der Genesungsbegleiter war ein intensiver Prozess, der sorgfältige Vorbereitung und Planung erforderte. Es war wichtig, das gesamte Team auf diese neue Art der Zusammenarbeit vorzubereiten. Dazu gehörten Schulungen, Workshops und regelmäßige Teambesprechungen, um Bedenken und Vorurteile auszuräumen und ein gemeinsames Verständnis für die Rolle der Genesungsbegleiter zu schaffen.
Zu Beginn war es nicht immer einfach, die neuen Genesungsbegleiter in die bestehenden Strukturen zu integrieren. Es gab anfängliche Unsicherheiten und Widerstände, die durch offene Kommunikation und die Unterstützung der Führungskräfte überwunden werden konnten. Die regelmäßige Supervision und der Austausch im Team halfen dabei, diese Herausforderungen zu bewältigen und die Genesungsbegleiter als wertvolle Mitglieder des Teams zu etablieren.
Mit der Zeit zeigte sich der positive Einfluss der Genesungsbegleiter auf das Behandlungsklima. Ihre persönlichen Erfahrungen und ihr Einfühlungsvermögen brachten neue Perspektiven in die Therapie ein und halfen den Patienten, sich verstanden und unterstützt zu fühlen. Dies führte zu einer insgesamt positiveren Atmosphäre und förderte den Genesungsprozess der Patienten.
Die Praxis im Klinikalltag
Die Genesungsbegleiter arbeiten nach einem festen Dienstplan im Tagdienst und sind vollständig in die Stationsteams integriert. Sie unterstützen die Patienten bei der Tagesstrukturierung, beantworten soziale Fragen und helfen bei der Orientierung im Hilfesystem. Durch ihre Arbeit fördern sie die Selbstständigkeit und das Selbsthilfepotenzial der Patienten, was diesen hilft, den Weg zurück in ihr normales Leben zu finden.
Zusammen mit den Pflegekräften haben die Genesungsbegleiter ein angepasstes Betreuungskonzept entwickelt, das ständig weiterentwickelt wird. Wöchentliche Gruppenangebote, sowohl offene als auch geschlossene, bieten den Patienten die Möglichkeit, sich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Diese Gruppenarbeit hilft den Patienten, sich aktiv mit ihrer Situation auseinanderzusetzen und gemeinsam Lösungen zu finden.
Die Arbeit der Genesungsbegleiter wird von allen Beteiligten als äußerst positiv bewertet. Sie fungieren als Brückenbauer zwischen Patienten und Pflegekräften und tragen wesentlich zur Verbesserung der Kommunikation und des Verständnisses bei. Ihre Anwesenheit und Unterstützung haben das Behandlungsklima deutlich verbessert und die Genesungsprozesse der Patienten gefördert.
Ein starkes Konzept für die Zukunft
Die Erfahrungen im Klinikum Bremerhaven haben gezeigt, dass die Integration von Genesungsbegleitern einen wertvollen Beitrag zur psychiatrischen Versorgung leistet. Die enge Zusammenarbeit zwischen Genesungsbegleitern und dem restlichen Team hat sich als äußerst effektiv erwiesen. Durch ihre persönlichen Erfahrungen können die Genesungsbegleiter den Patienten authentische Hoffnung und Zuversicht vermitteln.
Für die Zukunft plant das Klinikum Bremerhaven, die Anzahl der Genesungsbegleiter zu erhöhen und ihre Rolle weiter auszubauen. Es ist vorgesehen, weitere Genesungsbegleiter auszubilden und in die Behandlungsteams zu integrieren. Dies wird nicht nur die Qualität der Patientenversorgung weiter verbessern, sondern auch zur Professionalisierung und Anerkennung dieser wichtigen Berufsgruppe beitragen.
Die positiven Erfahrungen in Bremerhaven könnten als Modell für andere psychiatrische Einrichtungen dienen. Eine stärkere Integration von Genesungsbegleitern könnte dazu beitragen, das Behandlungsklima zu verbessern und die Patientenversorgung zu optimieren. Das Klinikum Bremerhaven zeigt, dass die Einbindung von Menschen mit eigener Psychiatrie-Erfahrung ein erfolgreicher und zukunftsweisender Ansatz ist.
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Dieser Artikel basiert auf den Erfahrungen und Berichten der Psychiatrischen Abteilung am Klinikum Bremerhaven.