Hamburg – In den letzten dreieinhalb Jahren hat sich ein besonderes Projekt in der Hamburger Psychiatrie entwickelt: die Peer-Begleitung. Gwen S. und Stefanie S., die als Genesungsbegleiterinnen tätig sind, geben Einblick in ihre Arbeit und die bedeutenden Fortschritte, die sie sowohl für die Betroffenen als auch für die Institutionen erzielen konnten.

Die Autoren sind zwei Pioniere auf dem Gebiet der Peer-Arbeit. Eine von ihnen ist am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig, während die andere im Albertinenkrankenhaus, Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie, arbeitet. Beide haben persönliche Psychiatrieerfahrungen und nutzen diese, um anderen Betroffenen zu helfen. Ihre Ausbildung haben sie im Rahmen des „Netzes psychische Gesundheit“ absolviert, wo sie sich intensiv mit ihren eigenen Erfahrungen auseinandergesetzt und diese in ihre Biografien integriert haben.

Was ist Peer-Begleitung?

Peer-Begleitung, auch Genesungsbegleitung genannt, bedeutet, dass ehemalige Patienten mit eigener Psychiatrieerfahrung andere Betroffene begleiten und unterstützen. Dieses Modell wird in allen Hamburger Kliniken umgesetzt, wobei die Autoren zwei der zehn Kliniken betreuen. Ziel ist es, den Betroffenen beim Übergang von stationärer zu ambulanter Behandlung zu helfen und ihnen in kritischen Phasen beizustehen.

Um als Genesungsbegleiter tätig zu sein, muss die EXperienced-INvolvement-Ausbildung (EX-IN) abgeschlossen werden. Diese Ausbildung zielt darauf ab, die eigenen Erfahrungen zu reflektieren und als wertvolle Ressource für die Begleitung anderer zu nutzen. Die Ausbildung betont, dass Krankheit und Gesundheit relative Begriffe sind und dass auch in Krisen ein heiler Kern vorhanden ist.

Die Arbeit in der Praxis

Die Autoren arbeiten nicht an einer festen Station, sondern sind flexibel für alle Stationen zuständig. Sie bieten Einzelgespräche an und begleiten die Betroffenen oft über einen Zeitraum von sechs Monaten. In diesen Gesprächen geht es um existenzielle Fragen, wie die Bewältigung des Alltags nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, den Umgang mit Diagnosen und die Wiederaufnahme eines strukturierten Lebens.

Die Hauptanliegen der Betroffenen sind vielfältig und reichen von der Suche nach Tagesstruktur über den Umgang mit Angst und Scham bis hin zur Rückkehr ins Berufsleben. Die Autoren betonen, dass sie aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen ein tiefes Verständnis für die Probleme der Betroffenen haben und somit eine besondere Unterstützung bieten können.

Zu Beginn ihrer Arbeit gab es gegenseitige Vorbehalte und Ängste. Die Veränderung der Rollen – von Patienten zu Beratern – war ungewohnt und führte zu Unsicherheiten. Mittlerweile hat sich die Situation entspannt, und die Zusammenarbeit mit den professionellen Therapeuten gestaltet sich konstruktiv. Die Peer-Begleitung hat gezeigt, dass ehemalige Patienten wertvolle Beiträge zur Genesung anderer leisten können.

Die Resonanz der Betroffenen ist überwältigend positiv. Viele berichten, dass sie durch die Peer-Begleitung gelernt haben, sich selbst zu akzeptieren und mit ihrer Erkrankung umzugehen. Hier einige Stimmen der Betroffenen:

• „Durch die Peer-Begleitung habe ich gelernt, dass ich nicht verrückt bin.“
• „Die Begleitung hat mir gezeigt, dass ich nicht allein bin mit meinen Problemen.“
• „Durch die Gespräche habe ich gelernt, rechtzeitig Hilfe zu suchen.“

Die Autoren sind überzeugt, dass Peer-Begleitung ein wichtiger Bestandteil einer fortschrittlichen Psychiatrie ist. Sie sehen die Peer-Arbeit als Bereicherung für die Behandlung psychisch kranker Menschen und betonen, dass sie eine trialogische und ganzheitliche Perspektive in die psychiatrische Versorgung einbringt.

Die Arbeit der Autoren zeigt eindrucksvoll, wie ehemalige Patienten zu wertvollen Unterstützern und Beratern für andere Betroffene werden können. Ihre persönlichen Erfahrungen und die daraus gewonnene Stärke ermöglichen es ihnen, Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln. Für eine zukunftsorientierte und menschliche Psychiatrie ist die Peer-Begleitung unerlässlich.

Mehr zur Ausbildung als GenesungsbegleiterIn

Quelle: Denn die Hoffnung, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück – Peer-Begleitung aus persönlicher Sicht

EX-IN AKADEMIE