Eine kürzlich veröffentlichte Publikation, entwickelt von der Zusammenarbeit zwischen PRIKOP, Pro Mente Sana, EX-IN Schweiz und dem Fachverband Peer+, liefert umfassende Empfehlungen zur Anstellung von Peers in psychiatrischen und sozialen Institutionen. Diese Empfehlungen basieren auf den Erfahrungen und Erkenntnissen aus der Praxis sowie dem internationalen Diskurs über Peer-Arbeit.

Seit 2010 werden in der Schweiz Menschen mit eigenen Erfahrungen in psychischen Krisen und Genesung im Rahmen der „Experienced Involvement“ (EX-IN) Weiterbildung als Peers ausgebildet. Diese qualifizierten Peers bringen wertvolle Erfahrung in die psychiatrische Versorgung ein, was sowohl für die Betroffenen als auch für die Institutionen von großem Nutzen ist. Die wachsende Nachfrage nach Peer-Mitarbeitern hat jedoch gezeigt, dass strukturierte Informationen und klare Richtlinien für eine erfolgreiche Implementierung erforderlich sind. Ohne diese kann die Peer-Arbeit leicht scheitern.

Recovery: Ein grundlegendes Konzept

Recovery, das sich in den 1980er Jahren im englischsprachigen Raum entwickelte, betont die Bedeutung von Selbstbestimmung und individueller Genesung. Es unterscheidet zwischen klinischem Recovery, das auf Funktionalität und Symptomreduktion abzielt, und persönlichem Recovery, das einen individuellen Prozess hin zu einem sinnerfüllten und selbstbestimmten Leben beschreibt. Peers spielen eine zentrale Rolle in Recovery-orientierten Ansätzen, da sie durch ihre eigenen Erfahrungen Hoffnung und Unterstützung bieten können.

Peers, auch als „Expertinnen und Experten aus Erfahrung“ bekannt, haben eine spezielle Weiterbildung absolviert, in der sie lernen, ihre Erfahrungen reflektiert und professionell einzusetzen. Diese Weiterbildung umfasst die Themen Gesundheit und Wohlbefinden, Empowerment, Krisenintervention und Recovery-Orientierung behandeln. Die Qualifikation durch EX-IN ermöglicht es Peers, in verschiedenen Arbeitsfeldern tätig zu sein, darunter Beratung, Begleitung, Öffentlichkeitsarbeit und Bildung.

Arbeitsfelder und Rekrutierung

Peers können in vielfältigen Bereichen arbeiten, von Kliniken und Beratungsstellen bis hin zu Bildungseinrichtungen und Forschungsprojekten. Die Rekrutierung erfolgt über spezialisierte Portale wie den „Peer-Pool“ von Pro Mente Sana, wo sich Peers mit ihren Profilen vorstellen können. Eine sorgfältige Vorbereitung und klare Stellenbeschreibungen sind entscheidend für die erfolgreiche Integration von Peers in bestehende Teams.

Für die Anstellung von Peers gelten die allgemeinen rechtlichen und betrieblichen Vorgaben. Es wird empfohlen, Peers mit einem regulären Arbeitsvertrag und einem Beschäftigungsgrad von mindestens 20 % anzustellen. Die Entlohnung sollte fair und im Verhältnis zu vergleichbaren Berufsgruppen liegen. Seit 2017 kann Peer-Arbeit im spitalambulanten Bereich als delegierte Leistung über das Tarifsystem TarMed bei den Krankenkassen abgerechnet werden.

Implementierung in der Institution

Eine erfolgreiche Implementierung der Peer-Arbeit erfordert eine sorgfältige Vorbereitung, offene Kommunikation und die Bereitschaft, voneinander zu lernen. Institutionen sollten eine übergeordnete Strategie zum Thema Recovery und Peer-Involvement entwickeln und eine interne Kerngruppe bilden, die den Prozess unterstützt. Regelmäßige Weiterbildungen und Supervisionen für Peers sind unerlässlich, um eine kontinuierliche Reflexion und Entwicklung zu gewährleisten.

Vorbehalte gegenüber der Belastbarkeit und Verlässlichkeit von Peers sind häufig. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass Peers in der Regel weniger Abwesenheiten haben als andere Mitarbeitende und durch ihre Ausbildung Experten in Selbstfürsorge sind. Die Zusammenarbeit zwischen Peers und Fachpersonen kann anfangs Herausforderungen mit sich bringen, doch durch offene Dialoge und klare Kommunikationswege können diese überwunden werden.

Die Zukunft der Peer-Arbeit

Die Peer-Arbeit hat das Potenzial, die psychiatrische Versorgung nachhaltig zu verändern. Sie fördert eine Recovery-orientierte Haltung, stärkt die Selbstbestimmung der Betroffenen und schafft ein neues Verständnis von Gesundheit und Krankheit. Institutionen sind aufgerufen, diese innovative Form der Unterstützung zu integrieren und weiterzuentwickeln, um eine ganzheitliche und menschliche Psychiatrie zu fördern.

Für weiterführende Informationen steht die vollständige  Publikation online zur Verfügung.

EX-IN AKADEMIE