Das Projekt „Genesungsbegleiter in der Psychiatrie“ im Klinikum Bremenhaven zielt auf eine recovery-orientierte Neustrukturierung der Psychiatrischen Abteilung ab. Seit 2010 sind Betroffene durch Erfahrung als festangestellte Mitarbeiter zur Unterstützung der Pflegekräfte in die Behandlungsteams integriert. Die Resonanz bei den Patienten und vielen Mitarbeitern ist so positiv, dass mittlerweile sieben Genesungsbegleiter in der Abteilung tätig sind. Diese haben wesentlich dazu beigetragen, dass sich das Milieu der Stationen positiv verändert hat und sind ein fester Bestandteil des täglichen Arbeitsablaufs geworden.
Einführung und Konzept
Im Rahmen einer recovery-orientierten Neuausrichtung der Psychiatrischen Klinik am Klinikum Bremenhaven Reinkenheide wurde 2010 das Projekt „Genesungsbegleiter in der Psychiatrie“ gestartet. Dabei wurden Betroffene durch ihre eigenen Erfahrungen als festangestellte Mitarbeiter in die Behandlungsteams integriert. Diese Neuausrichtung basiert auf den Prinzipien der Recovery-Bewegung, die auf Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und partizipative Entscheidungsfindung setzt.
Die Genesungsbegleiter bringen ihre eigenen Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen in ihre Arbeit ein und unterstützen Patienten auf ihrem Weg zur Genesung. Sie fungieren als Vorbilder und motivieren die Patienten durch ihre eigenen Erfolgsgeschichten. Diese peer-orientierte Betreuung ergänzt die traditionelle medizinisch-therapeutische Versorgung und trägt zu einem ganzheitlichen Ansatz in der psychiatrischen Behandlung bei.
Positive Resonanz und Integration
Die Einführung der Genesungsbegleiter wurde sowohl von den Patienten als auch von den Mitarbeitern der Abteilung sehr positiv aufgenommen. Die Patienten schätzen die Möglichkeit, sich mit Menschen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und ihre Perspektiven verstehen. Dies schafft Vertrauen und ermutigt die Patienten, sich aktiv an ihrem Genesungsprozess zu beteiligen.
Die Mitarbeiter der Abteilung berichten, dass die Genesungsbegleiter eine wertvolle Ergänzung des Teams darstellen. Durch ihre persönliche Erfahrung und ihr Verständnis für die Herausforderungen der Patienten können sie eine Brücke zwischen den Patienten und den professionellen Betreuern schlagen. Dies verbessert die Kommunikation und stärkt das therapeutische Bündnis.
Schulung und Supervision
Die Genesungsbegleiter wurden sorgfältig ausgewählt und in speziellen Aus- und Fortbildungen auf ihre Aufgaben vorbereitet. Diese Schulungen umfassten Themen wie Selbstfürsorge, Kommunikationstechniken und spezifische Kenntnisse zur Unterstützung von Menschen in psychischen Krisen. Zudem wurden die Genesungsbegleiter regelmäßig supervidiert, um sicherzustellen, dass sie ihre Aufgaben effektiv und professionell ausführen können.
Im Jahr 2010 stellte die Geschäftsführung erstmals zusätzliche Mittel für die Einstellung von zwei Genesungsbegleitern bereit. Die Agentur für Arbeit unterstützte diese Initiative und ermöglichte es den neuen Mitarbeitern, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse in die Praxis umzusetzen. Diese Unterstützung war entscheidend für den erfolgreichen Start des Projekts.
Erweiterung und Evaluierung
Im Jahr 2011 wurden aufgrund der positiven Erfahrungen weitere Genesungsbegleiter eingestellt. Bis 2015 waren insgesamt sieben Genesungsbegleiter festangestellt, die in verschiedenen Bereichen der Klinik tätig sind. Ihre Aufgaben umfassen die individuelle Betreuung von Patienten, die Leitung von Gruppensitzungen und die Unterstützung des Pflegepersonals.
Die Wirkung des Projekts wurde durch regelmäßige Evaluierungen überprüft. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Verbesserung der Recovery-Orientierung der Teams. Insbesondere die Faktoren „Lebenssinn“ und „Einbeziehung“ zeigten positive Veränderungen, die auf die Arbeit der Genesungsbegleiter zurückgeführt werden konnten. Diese Verbesserungen wurden anhand der RSA-Faktoren (Recovery Self-Assessment) gemessen.
Herausforderungen und Lösungen
Die Einführung der Genesungsbegleiter war nicht ohne Herausforderungen. Es gab anfängliche Vorbehalte und Unsicherheiten im Team, die durch offene Kommunikation und gemeinsame Schulungen überwunden wurden. Ein zentrales Element des Erfolgs war die enge Zusammenarbeit zwischen den Genesungsbegleitern und dem restlichen Team. Durch regelmäßige Supervisionen und Teambesprechungen konnten Missverständnisse ausgeräumt und die Integration der Genesungsbegleiter gefördert werden.
Ein weiteres Problem war die Finanzierung der Stellen. Dank der Unterstützung durch die Geschäftsführung und die erfolgreiche Einwerbung zusätzlicher Mittel konnten die Stellen dauerhaft gesichert werden. Dies war entscheidend für die Nachhaltigkeit des Projekts und ermöglichte es, die positiven Effekte langfristig zu nutzen.
Zukunftsaussichten
Das Klinikum Bremenhaven plant, das Projekt weiter auszubauen und die Anzahl der Genesungsbegleiter zu erhöhen. Die positiven Erfahrungen und die nachgewiesenen Verbesserungen in der Patientenversorgung haben gezeigt, dass diese innovative Form der Betreuung einen wertvollen Beitrag zur psychiatrischen Versorgung leisten kann.
Zukünftig sollen weitere Genesungsbegleiter eingestellt und in die verschiedenen Bereiche der Klinik integriert werden. Zudem ist geplant, die Schulungs- und Supervisionsangebote weiter auszubauen, um die Qualität der Betreuung kontinuierlich zu verbessern.
Fazit
Die Einführung von Genesungsbegleitern im Klinikum Bremenhaven hat gezeigt, dass die Integration von Menschen mit eigenen Erfahrungen in psychischen Krisen einen bedeutenden positiven Einfluss auf das Behandlungsklima und die Genesung der Patienten haben kann. Durch ihre einzigartige Perspektive und ihr Verständnis für die Herausforderungen der Patienten tragen Genesungsbegleiter wesentlich zur Verbesserung der Qualität der psychiatrischen Versorgung bei.
Dieses Projekt zeigt, dass eine recovery-orientierte Neuausrichtung der Psychiatrie nicht nur möglich, sondern auch äußerst wirkungsvoll ist. Die positiven Rückmeldungen und die signifikanten Verbesserungen in der Patientenversorgung sind ein klares Zeichen dafür, dass dieser Ansatz weiter verfolgt und ausgebaut werden sollte.
*Dieser Artikel basiert auf den Erfahrungen und Evaluationsberichten der Psychiatrischen Abteilung am Klinikum Bremenhaven Reinkenheide.